Im pridemonth haben wir es uns im #lateinchat zur Aufgabe gemacht, über das Thema sexuelle Vielfalt, aber auch da Frauen- bzw. Männerbild der Antike im Lateinunterricht zu sprechen. Nachgelesen werden kann der Chat auf unserem Twitterprofil.
Sexuelle Vielfalt
Im Jahre 2021 sollte es kein Problem mehr sein, über sexuelle Vielfalt auch im schulischen Kontext zu sprechen. Zum einen glaube ich, dass dieses Thema für den Lateinunterricht die Chance bietet, die Historizität sexueller Vielfalt aufzuzeigen. Das ist keine „neumodische Erfindung“, sondern gehörte auch schon vor über 2000 Jahren (in kleinen Teilen) zur Gesellschaft dazu. Zum anderen wäre es auch ein wichtiges Zeichen, um der leider immer noch weit verbreiteten Homophobie entgegenzuwirken. Schüler*Innen sehen, dass das ein normales Thema wie andere Kulturthemen im Lateinunterricht ist (@VidSpHistoriker). Es bietet Jugendlichen Identifikationsmöglichkeit und vermittelt, dass Sexualität abseits der heteronormativen Orientierung nicht verwerflich ist und schon in der Antike toleriert und praktiziert wurde (@wersnochjwach). Die SchülerInnen können erkennen, dass sexuelle Vielfalt in der Antike akzeptiert wurde und natürlich war und dies auf ihr eigenes Weltbild übertragen.
Dennoch stößt man hierbei schnell auf Probleme, wie die fehlende Akzeptanz in der Gesellschaft, konservative Elternhäuser oder die eigenen konservativen oder ablehnenden KollegInnen. In unseren Augen ist es wichtig, dass man zuvor ein gutes Verhältnis zu seiner Klasse aufbaut, um mit den SchülerInnen über dieses sensible Thema sprechen zu können und um den SchülerInnen einen geschützten Rahmen geben zu können, wenn diese ihre eigenen Erfahrungen und sexuellen Einstellungen sprechen möchten.
Umsetzungsideen
Werk/Autor/Mythos | Begründung |
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Ovid: Metamorphosen | – Iphis und Ianthe: „Der Mythos „Iphis und Ianthe“ thematisiert zum Beispiel die Liebe zwischen zwei Frauen, von denen eine in einen Mann verwandelt wird, um „de iure“ verbunden sein zu können. Hier lässt sich das Thema „Transgeschlechtlichkeit“ anbinden“ (@Magistra_Kamp) – im 4. Buch Hermaphroditos, im 10. Kyparissos, Hyakinthos oder die Ganymed Passage (abseits von Narzissen und Adonis, bei denen auch e homoerotik vorkommt). Gut aufbereitet könne man auch die Passage in den ars Amatoria zur Ephebophilie behandeln (@wersnocjwach) |
Martial: Epigramme | Auf- und Umbruch in Geschlechterrollen; Diskussion der Emanzipation |
Amores 1,5 | Thematisierung der meToo- Debatte |
3. Ekloge von Vergil | Thematisierung von hetero- und homosexueller Liebe |
Priapeen | Transsexualität |
Tibull | Homsexualität durch den Geliebten Marathus |
Von Catull oder Petrons „Satyricon“ sind wir in der Diskussion eher abgekommen. Insbesondere die Darstellungen bei Catull wurden teilweise als zu ausschweifend für die SchülerInnen erachtet.
Das Bild der Frau
Neben der Thematisierung von sexueller Vielfalt darf aber auch das Bild der Frau bzw. des Mannes in der Antike nicht vernachlässigt werden. Frauen- und Geschlechterbilder im Laufe der Zeit sind per se einfach zentral und wichtig im Unterricht… die Rolle der Frau in ihrer Andersartigkeit und auch die Entwicklung in der Kaiserzeit sind auch für die SuS extrem spannend (@MagistraCarina). Hierbei darf auch nicht die Emanzipation der Frau vernachlässigt werden, welche auch heute noch ein aktuellen Thema darstellt.
Umsetzungsideen
Plinius schreibt tatsächlich ein Lob auf seine Frau…in den Amores wird ja auch ein gewisses Frauenbild transportiert, das man gegenzeichnen muss… Ich komm wieder mit Martial um die Ecke😅 In VIII, 12 kann man durchaus ein positives Frauenbild interpretieren…. (@MagistraCarina). Als weitere Autoren bzw. Werke wurden zudem Columella, Annalen, Amores, Metamophosen und die Elegien als mögliche literarische Grundlagen in der Diskussion angebracht.
Das Bild des Mannes
Während wir in der Diskussion über das Bild der Frau in der Antike insbesondere über die Emanzipation des weiblichen Geschlechtes gesprochen haben, erachteten wir beim Bildes des Mannes die dominante Männlichkeit, welche in antiken Werken oftmals transportiert wird, als problematisch. Aufgabe des LU ist es auf jeden Fall dieses Männlichkeitsbild aufzuschlüsseln, zu analysieren und dann daraus „Rollenmodelle“ für uns heute abzuleiten und zu entwickeln (@MagistraCarina). Insbesondere die Metamorphosen bieten sich hierbei als Werk großer Widersprüchlichkeiten zwischen Vergewaltigungen, aber auch lebensnahen Themen an.
Als mögliche literarische Grundlagen wurde hier wiederum Martial, aber auch die Metamorphosen und Amores des Ovids genannt, aber auch Cicero und Horaz sowie die Geschichtsschreibung des Tacitus.
Autor/Werk/Gattung | Transportiertes Bild |
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Aeneis | Aeneas als Muster für Männlichkeit |
Geschichtsschreibung | Bild des Herrschers |
Cicero | Mann als Politiker |
Caesar | Rolle des Feldherren |
Vermittlungsideen
Bei der Umsetzung im Lateinunterricht wurde es als wichtig erachtet, den SchülerInnen eine breite Diskussionsphase zu ermöglichen. Zudem wurden zur Erleichterung des Diskurses Rollenspiele angebracht. Aber auch über eine freie Recherche, zum Beispiel im Rahmen einer Facharbeit wurde diskutiert. Wichtig ist vor allem, dass die SchülerInnen hierbei keine Hemmungen haben sollen und sich ohne großen Druck mit diesem teilweise sehr sensiblen Thema auseinandersetzen können.
Bei dem geschlechtsspezifischen Rollenbild wurde zudem über eine Gegenüberstellung der beidenGeschlechter gedacht, bei welcher die SchülerInnen die verschiedenen Rollenbilder, aber auch die Erwartungen an das jeweilige Geschlecht herausarbeiten und gegenüberstellen.